Samstag, 21. März 2015

Ein Bunker zu Blumenbeeten

Vor einiger Zeit hatte ich schriftlichen Kontakt zu Charlotte Dieckmann, die mir einige Informationen zu einem Stadtgarten ganz besonderer Art zugeschickt hat. Den Bunker auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli nahe dem "Hamburger Dom" und dem Schanzenviertel kenne ich seit meinen Hamburger Jugend- und Studententagen. Als eine Art gewaltiges Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg wirkte der Bunker eher wie der dunkle Turm eines sehr dunklen Herrn: Der Stachel des Bösen mitten in der Hansestadt.

Statt dunkler Turm ...

Nun soll daraus eine gewaltige Begrünung werden, ein Stadtgarten auf dem Bunker, wie es im Prospektes des Projektes heißt, den mir Charlotte zugesandt hat. Die Vorgeschichte ist rasch erzählt:
Anfang 2014 gelang es einigen Anwohnern, unterstützt durch die Architekten des Büros Interpol+- Architecture, den Eigentümer des ehemaligen Flakbunkers, den erbbauberechtigten Prof. Dr. Thomas Matzen, von ihrer Vision einer völlig neuen Stadtnatur zu überzeugen.
...  Im Gegenzug für die kommerzielle Nutzung der neuen Mietflächen verpflichtet sich der private Eigentümer, die gesamten Kosten für den Bau und den zukünftigen Unterhalt der Grünanlage zu tragen. Die Nutzung soll im Einklang mit dem bestehenden medien- und kulturnahen Konzept des Bunkers stehen.
...  Was als Idee einiger Weniger begann, soll ein Garten Vieler werden – ein Raum zum generationsübergreifenden Experimentieren mit Stadt und Natur. Ein Pilotprojekt zur Erschließung und Urbarmachung eines gewaltigen, städtischen Raumes, den Dachflächen von St.Pauli. Lasst uns die Bedingungen kennenlernen, wie wir sie zukünftig für unser aller Wohl nutzen können: für den lokalen Anbau von Nahrungsmitteln, für ein besseres Klima und nicht zuletzt für mehr Lebensqualität in der wachsenden Stadt.
So die Selbstdarstellung der Projektplaner.

... ein Hilldegarden

Das Projekt selbst hat den Namen Hilldegarden erhalten. Zum Namen selbst kann ich leider keine Erklärung abgeben. Dafür gibt es zum Nachlesen zwei Verweise, einmal die Seite des Hilldegarden, zum anderen die Seite des Bunkerplanungsbüros.
Müßten sich mit diesen gewaltigen Flächen (ca. 8000 qm), die als öffentlicher Garten zugänglich sein werden und z. T. von Anwohnern gestaltet werden können, nicht alle Hamburger Stadtgärtner angesprochen fühlen? Es gibt Mißtrauen. Man vermutet die Gärten nur als Feigenblatt für eine breite kommerzielle Nutzung:
Doch braucht es an dieser Stelle wirklich noch mehr kommerziell nutzbare Räume — Musikklubs und Filmstudios, einen 1100 qm großen „Kultursaal“ und ein Hotel für 100 Gäste, das natürlich nicht „Hotel“, sondern Künstlergästehaus heißt, damit es etwas kultureller und weniger kommerziell klingt? Wer will hier eine weitere Elbphilharmonie-Architektur?
 so auf den Seiten der Keimzelle, Soziale Gärten für alle, Für viele Stadtgärtner im Viertel um den Bunker ist das neue Projekt einfach nur ein "Bunker-UFO", wie aus dem Nichts aufgetaucht. Die Süddeutsche Zeitung berichtete sehr ausgewogen über den Konflikt. Die Stadtgärtner-Initiativen, träumend vom alternativen Leben, fühlen sich übergangen. Für sie ist Gärtnern nicht einfach Begrünung eines alten Bunkers, sondern ein Lebensentwurf. Zudem zerstört das neue Projekt bestehende Flächen einer urbanen Gärtnerinitiative, so wird behauptet. Beispielhaft für die urbanen Gärtner ist das Gartendeck zu nennen.

Noch ist nichts entschieden

Über den "stürmischen Beginn" des Projektes berichtete auch Irene Jung in ihrem St.Pauli blog. Um die Voraussetzungen für das Projekt zu schaffen, verlangt die Politik Bürgerbeteiligung. Dafür ist nun das "Projekt Hilldegarden" mit Charlotte Dieckmann und Tobias Boing zuständig. Noch ist also nichts entschieden. Das Vorhaben ist ambitioniert und ehrgeizig. Aber ein grüner Bunker ist mir lieber als weitere 70 Jahre ein dunkler Turm, der zu nichts nütze ist. Jeder Garten, auch ein Garten auf einem Bunker, ist zu begrüßen. Hamburg hätte damit eine Sensation mehr. Es muss ja kein Gras sein, das über dieses Mahnmal wächst...


gleichzeitig erschienen bei meinfigaro des mdr, Euer Rio

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